In den vergangenen zwei Jahren hat mich der Bildungsberater meiner ehemaligen Schule gefragt, ob ich bei der Studieninformationsbörse der HTL den Schülerinnen und Schülern zur WU und dem Studium im Allgemeinen Rede und Antwort stehen könnte. Ich habe das immer gerne gemacht, halte Information und Orientierung – Mentoring allgemein – für eine ziemlich wichtige und praktische Sache. Nach der diesjährigen Studieninformationsbörse hat mir einer der interessierteren Schülern geschrieben ob ich ihm mit ein paar Fragen behilflich sein könnte. Dabei dachte ich, dass die Fragen und Antworten vielleicht für mehrere Schülerinnen und Schüler interessant sein könnten. Ich bin sicher nicht der richtige Ansprechpartner für alle Fragen, trotzdem hoffe ich, dass manche von mit den Antworten etwas anfangen können. Wenn ihr das hier liest und selbst bessere Antworten habt, bitte einfach kommentieren.
85.000 Leute an der Uni Wien. 26.000 an der TU. Das ist schon extrem viel. Wie war eigentlich die Umstellung zwischen HTL und Uni? Ich mein‘ ich bin nicht so der Streber und komme mit meiner „einen Tag vorm Test lernen“-Strategie mit 0 bis 2 4er pro Jahr durch. Wie war das für dich?
Nun, die 85.000 oder 26.000 Leute sind natürlich auf die ganze Unis gemeinsam gerechnet. Das ist an der Uni Wien alles vom Juridicum, über die Afrikanistik zur Chemie und Wirtschaft. Viele der 85.000 wirst du nie zu Gesicht bekommen. Das gleiche gilt für die TU. Das heißt, es kommt schlussendlich viel auf die Studienrichtung an die du vor hast zu wählen. Informatik und Architektur an der TU ist ziemlich gut belegt und auch auf der Uni Wien gibt es viele Studienrichtungen die überlastet sind (Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Theater-, Film- und Medienwissenschaft etc.). Was die Umstellung betrifft gibt es schon Prüfungen, die natürlich schwierig sind und gründliche Vorbereitung, also 1-2 Wochen täglich lernen, brauchen. Alles in allem gab es von den Prüfungen aber nicht so viele. Die größte Umstellung war ein bisschen mit all den Dingen die man in Wien anstatt zu lernen machen kann zurecht zu kommen. Manche schaffen eben diese Umstellung nicht. Oder müssen so viel arbeiten um sich zu finanzieren dass sie dem Studium zu wenig Zeit widmen können. Das hängt aber auch von deinem Studium ab. Eine Technische Physik wird mehr Aufmerksamkeit von dir verlangen als die Publizistik. Das klingt vielleicht hart, ist aber so.
Wie vermutlich alle sagst du auch das Bachelor umsonst ist und wenn man schon studiert gleich den Master auch noch machen soll. Seh‘ ich das richtig?
Das kommt ein bisschen darauf an was du studierst, wie dein eigener Drang nach Wissen und Forschung ist und wie sehr du deine Zukunft in Österreich siehst. Wenn du mal in England, den USA oder sonst wo arbeiten willst in einem Bereich der nicht sehr forschungsgetrieben ist, dann reicht der Bachelor in vielen Fällen sicher aus. Auch in wirtschaftlichen Berufen gibt es sogar in Österreich viele große Unternehmen die Bachelors einstellen (auch Google z.B.). Wenn du dich in Zukunft in Österreich siehst, in einem eher forschungslastigen Bereich und dich sehr für dein Thema interessierst, dann ist der Master natürlich schon auch naheliegend. Einerseits weil in Österreich Titel immer noch viel zählen, andererseits weil dir Master noch 2 Jahre geben dich wirklich ausführlich mit einem Thema zu beschäftigen.
Ich habe in Publizistik zum Beispiel den Master belegt weil ich dachte dadurch wirklich noch Tiefer in die Materie zu kommen. Das hat so zwar nicht gestimmt – der Master ist nicht sehr gut – aber ich hatte dennoch 2 Jahre Zeit um mich mit dem Thema noch mehr zu beschäftigen. Und das war im Nachhinein gut.
Ich kann mir nicht vorstellen mit 25 jahren noch keine Arbeitserfahrung zu haben. Ich meine du, hattest ja auch Praktika oder? Ist arbeiten neben dem Studieren eigentlich „möglich“, so dass man noch Freizeit hat?
Ja, ich habe Praktika gemacht und auch nebenbei gearbeitet. Ob arbeiten neben dem Studieren „möglich“ ist, ist eine schwierige Frage. Das hängt einerseits davon ab wie „gut“ du bist, nicht nur fachlich, sondern auch in Selbstdisziplin und Zeitmanagement und andererseits ob es dein Studium erlaubt. Bei manchen Fächern ist es sicher leichter möglich als bei anderen. Es arbeiten allerdings ca. 2/3 der Studierenden nebenbei, wenn ich mich richtig erinnere. Vor allem nach 2 Jahren haben viele in meinem Bekanntenkreis die erst nach Wien gekommen sind mit Jobs angefangen. Manche arbeiten aber weiterhin nur im Sommer, das hängt auch ein bisschen von der Unterstützung der Eltern ab. Fachspezifische Arbeit zu finden ist zu Beginn immer ein bisschen schwierig, wobei da die HTL schon ein riesen Startvorteil für mich war. Freizeit? Ja, sicher. Ich habe immer mehrere Sport-Kurse belegt, im Sommer für die Mannschaft von Braunau Tennis gespielt, bin normal fortgegangen etc.
Du warst ja in Kanada oder? Sind diese Auslandssemester eher die Ausnahme oder die Regel oder hängt das auch vom Studium ab?
Ja, ich war in Vancouver. In meinem Studium (Internationale Betriebswirtschaftslehre) an der WU ist Auslandserfahrung Pflicht. Diese kann man entweder durch zwei Sommerunis, durch eine Sommeruni und ein Praktikum oder durch ein Auslandssemester decken. In anderen Studien sind Auslandssemester nicht Pflicht, werden aber immer häufiger. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen waren im Ausland – Korea, Schweden, Finnland, Niederlande, Australien, Thailand, …
Wie kann man sich am Besten informieren? Gibt es da „Schnuppertage“ oder kann man Vorlesungen besuchen? Wie bist du auf deine Studienzweige gekommen?
Einerseits natürlich über Menschen die das studieren was sich möglicherweise interessiert, andererseits über Veranstaltungen wie die BEST und in Internetforen der Studienrichtungsvertretungen und der Unis. Vorlesungen sind öffentlich, das heißt du kannst einfach nach Wien fahren und dich dort hineinsetzen. Manche Unis haben auch Tag der offenen Türe und ähnliche Veranstaltungen. Das müsstest du googlen. – Wie ich auf meine Studienzweige gekommen? Ich habe mich immer diffus für Wirtschaft, Menschen, Medien und Technik interessiert und habe mir dann eine Liste an Studienzweigen aufgestellt die sich mit den Themen beschäftigen. Auf dieser Liste sind dann PuKW, Psychologie, Theater-, Film- und Medienwissenschaften, Wirtschaftsinformatik, Medieninformatik und Geschichte gestanden. PuKW hat mich vom Studienplan her (der war online) und von den Namen der Lehrveranstaltungen am meisten interessiert. Medieninformatik war auf zwei. Nachdem Medieninformatik nach einem Semester mangels Begeisterung für Informatik/Mathematik wieder gestrichen wurde, hab‘ ich dann Wirtschaftsinformatik begonnen. Und nachdem ich dort nicht die WU-Spezialisierungen belegen konnte die ich wollte und mich Sprachen immer mehr interessiert haben, habe ich schlussendlich Internationale BWL gemacht.
Ist es normal das man zwei Studienzweige studiert bzw. auf zwei verscheiden Unis? Wieso Wirtschaft und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft?
Normal, nein. Es ist sicher insgesamt eher die Minderheit. Auf der Sozial-, Kultur- und Wirtschaftswissenschaft ist es aber schon üblicher als auf der TU zum Beispiel. Wenn man ein möglichst umfangreiches Wissen z.B. über Gesellschaftstheorien oder Medien erlangen will, bietet es sich an z.B. zwei Bachelor-Studien zu belegen. In den USA zum Beispiel ist es ja so, dass man im Bachelor einfach nur einen Bachelor of Arts (BA) studiert und dafür Kurse aus Soziologie, Psychologie, Philosophie, Geschichte, Medien, Wirtschaft, etc. belegt – bei uns sind das alles eigene Bachelor-Studien. Bei uns gibt es das nicht, darum gibt es oft Kombinationen. Warum Wirtschaft- und Kommunikationswissenschaft? Weil ich denke, dass sich die beiden Fächer sehr gut kombinieren lassen, weil mich beides interessiert und zu einem gewissen grad natürlich auch, weil die Internationale BWL eine gewisse „Ausbildung“ ist, die ich als Basis gut finde (Sprachen, BWL-Grundlagen, VWL-Grundlagen …).
Was ist dein Traumjob bzw. was bringt dir dein Studium? Könntest du den Job auch ohne Studieren ausüben?
Mein Traumjob ist im Prinzip der, den ich momentan habe. Bei Planning oder Strategie geht es darum, mit Intuition und Logik (Kreativität und Analyse) dafür zu sorgen, dass Unternehmen und Marken Dinge schaffen, die sowohl für die Menschen als auch für das Unternehmen relevant sind. Das heißt, z.B. dafür zu sorgen, dass Werbekampagnen funktionieren, oder herauszufinden wie man eine Marke besser oder bekannter machen kann, oder dafür zu sorgen dass man ein Produkt teurer verkaufen kann oder neue Produkte oder Marken zu schaffen, die Bedürfnisse von Menschen besser befriedigen als andere. Und das ganze so, dass das was dabei herauskommt nicht etwas ist für das man sich schämen muss. Idealerweise soll es etwas sein, dass die Gesellschaft insgesamt ein wenig besser macht. Aber das ist natürlich schwierig. Der große Traumjob ist ein bisschen genau das bei W+K oder IDEO zu tun.
Könnte ich diesen Job auch ohne Studium ausführen. Theoretisch: ja. Praktisch: nope. Wie Rob Campbell immer anmerkt sind die Qualitäten die man für den Job braucht auch ohne Studium zu erlangen. Das Problem ist nur, dass die meisten Unternehmen niemanden dafür ohne Studium einstellen. Das heißt, entweder man arbeitet ohne Studium verschiedenste Dinge und wechselt dann ins Planning – was geht, aber irgendwie auch nicht einfach ist, oder man studiert, sammelt vielfältige Erfahrungen und hofft dann dadurch besser in dem Job zu werden. Zweiteres war meine Strategie.
Was bringt mir mein Studium? Insgesamt hat es mir einen breiten Überblick über viele unterschiedliche Dinge gegeben. Von Psychologie, über Soziologie, über Pädagogik, Geschichte, Sprachen, Buchhaltung, Logistik, Management, Marketing und so weiter. In der Kommunikationswissenschaft im Speziellen hatte ich Gelegenheit mir meine Gedanken darüber zu machen was die Gesellschaft antreibt, wie sie ihre Themen selektiert und vor allem wie sie sich verändert. Ein bisschen darüber nachzudenken, wie das Leben da draußen, die Medien, die Menschen eigentlich funktionieren. In der Internationalen BWL hatte ich Gelegenheit eine tolle Sommeruni in Vietnam zu machen, ein unvergessliches Auslandssemester in Vancouver, dadurch auch viele Menschen kennen zu lernen – und natürlich auch – ein Fundament an wirtschaftlichem Verständnis das mir so niemand mehr wegnehmen wird können. Wäre das unbedingt notwendig gewesen? Nein, natürlich nicht. Ich hätte auch arbeiten gehen können. Aber es war eine schöne Zeit, in der ich Gelegenheit hatte vieles zu lernen und mir ein besseres Bild von der Welt machen zu können. (Dass ich dabei viele liebe Menschen kennengelernt habe die ich sonst eben nie kennengelernt hätte, das ist natürlich ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt.)
Ich stimme dem Punkt, dass man im Studium nicht unbedingt das lernt, was man in einem späteren Traumjob machen wird, sehr zu. Oder, von der anderen Seite: Auch ohne Studium könnten viele Jobs gemeistert werden. Ich beurteile auch nicht wesentlich besser, mit dem Hintergrundwissen das ich mir aneignen musste. Fakt ist jedoch, in einer Welt, in der sehr sehr viele Menschen einen breiten Zugang zum Arbeitsmarkt nutzen, wird natürlich zuerst bei den groben Kriterien angesetzt, um die Auswahl an Bewerbern zu reduzieren. Dazu gehört eben nunmal ein Studium (or the lack thereof). Warum nehme ich zum selben Preis, jemand mit weniger Qualifikationen (ohne Studium), wenn drei andere mit Studium in der Auswahl stehen. Klare Entscheidung. Nicht jedoch immer so:
Ich habe mich vor drei Jahren mit dem Personalchef der Erste Bank unterhalten. Meine Frage war: Magister, oder MBA? Er meinte: Am besten keiner der Beiden – lieber einen Bachelor! Ich war etwas erstaunt und bekam die Antwort: Ein Bachelor hat alle Grundlagen intus, ist noch lernwillig, nicht hochnäsig und sehr ausbaufähig. Ein Master (oder schlimmer, MBA) ist jedoch oft der Meinung, er habe ausgelernt, verdiene jetzt eine unglaublich gut bezahlte Managementposition und wolle sich nicht mehr mit Details aufhalten. Und, zumindest in der Erste Bank, damals, war das ein no hire. Und das Geld war hierbei nicht das Problem.
Ein Studium ist ein Schlüssel, der zwar nicht jede Tür aufmachen kann, aber auf jeden Fall mehr als kein Schlüssel.
Wichtig, im Nachhinein finde ich jedoch, ein Studium zu wählen, dass einen zu 50% interessiert und zu 50% Freiheit in Aussicht stellt. Freiheit kann auch im Studium passieren, damit meine ich nicht die Freizeit. Aber die Freiheit, sich zu entwickeln. Die meisten Menschen zwengen sich mit dem Gedanken ins Studium, die naheliegende Profession auch mit vollem Einsatz auszuleben, danach. Ein JUS Student denkt sich, Richter, Rechtsanwalt oder Steuerberater zu werden, ein Wirtschaftler sieht sich als CEO, Top Manager, Investor oder Berater. Und der Techniker wird bei Kapsch, Siemens oder Rolls Royce sicher zum Ingeneur. Fakt ist, all das sind keine Tätigkeiten. Es sind Templates, Hüllen, Zusammenfassungen von wirklichen Passionen – interessiere ich mich für das Web, würde ich gerne mit Mode zu tun haben, träume ich von Mechanik, oder Musik? Würde ich gerne im Film oder Medienbereich zu tun haben? Man muss genug Freiheit in seinem Studium haben, um sich selbst darin finden zu können. Das geht manchmal in Stunden, manchmal in 10 Jahren. Ich dachte immer, das Studium wird mich definieren, wird vorgeben was ich mache. In Wirklichkeit gibt es einem nur Zeit, einen Titel, einen Schlüssel und eine Menge Erfahrungen, daheim und weit weg, mit netten und mit erledigten Menschen, mit tiefsinnigem Lernstoff sowie absolut sinnlosem Müll. Ich hoffe niemand erwartet sich die Erfüllung seiner Träume mit der Wahl des Studiums. Die Wirklichkeit passiert entlang des Studiums. Wo sonst hat man 3-10 Jahre Zeit, sich für das Leben so zu begeistern.
Ich würde wieder studieren, aber mich nicht mehr so oft fragen, was ist, wenn es nicht das richtige war?