Erwartungen aus der Praxis: Die Rolle der Rezipientinnen und Rezipienten (Teil 17 der Serie zu viraler Werbung)

Die Rolle der RezipientInnen im Konzept virale Werbung ist eine gespaltene. Zum einen sind sie RezipientInnen im Sinne der klassischen Werbung, das heißt EmpfängerIn und AdressatIn einer Botschaft, über den man sich bei der Konzeption von Werbung Gedanken macht. Zum anderen wird von den RezipientInnen viraler Werbung erwartet, dass sie diesen Inhalt an Personen in ihrem Umfeld weiterleiten, also aktiv handeln.

Die RezipientInnen sind aus Sicht der PraktikerInnen stark vernetzt, offen im Umgang mit Neuem, erfahren im Umgang mit Werbung und dem Internet und auch sehr kritisch, was sich in der Wichtigkeit zeigt, die der Glaubwürdigkeit und Stimmigkeit von werblichen Angeboten beigemessen wird. Virale Werbung, die sich plump als Nicht-Werbung tarnt oder aber auch inhaltlich unglaubwürdige Werbung, würde bei den RezipientInnen auf Ablehnung stoßen und in weiterer Folge leicht starke negative Aufmerksamkeit schaffen.
Wie sich allerdings auch bei der Vorstellung der vernetzten „User“ zeigt, werden die RezipientInnen durchaus als soziale Wesen wahrgenommen, die aus der Rezeption und Weiterleitung von Werbung eine Vielzahl an Nutzen ziehen können.

Also ich denk mir […] es ist zwar so, dass viele Leute über Werbung schimpfen und auch sagen, ich will mit Werbung nichts zu tun haben […], aber letztendlich ist […] Werbung doch ein […] Bereich wo sehr kreativ oder sehr lustig, sehr spannende Sachen passieren. Und wenn ich natürlich wirklich das schaffe […] so was zu produzieren, dass es wirklich lustig und witzig ist, dann wird oft […] beim Betrachter in den Hintergrund rückt, dass das Werbung ist. (Waaijenberg, Anhang 6: 11)

Weil er sich unterhalten gefühlt hat. Weil er es schön gemacht findet. Es ist eher der Spaßfaktor. […] Oder wenns ungewöhnlich daherkommt. (Anonym, Anhang 8: 9)

Aber eins, und da bin ich der großen Überzeugung davon, eines der großen Bedürfnisse der Menschen ist, Resonanz zu erhalten. Und wenn ich einen total witzigen Spot herumschicke, der einfach wirklich gut gemacht ist, ja, und den an meine Freunde schicke, dann erhalte ich als Resonanz und Mehrwert irgendwie eine, eine Art von positives Feedback. (Mühr, Anhang 7: 11)

Ganz vorne steht der Unterhaltungsnutzen, den RezipientInnen aus Werbung ziehen und so zu viraler Werbung machen. Darüber hinaus wird aber auch – wie vom Vertreter der Interaktivagentur geäußert wurde – erwartet, dass sie dadurch ihre Position im sozialen Netzwerk stärken, interessant oder anders erscheinen können und vor allem selbst Aufmerksamkeit und soziales Feedback erhalten würden. Diese Phänomene, die Vernetzung und das aktive Handeln, werden dabei nicht auf die Gegenwart beschränkt, sondern als fundamentale menschliche Bedürfnisse gesehen.

Erwartungen aus der Praxis: Wirkungserwartungen (Teil 16 der Serie zu viraler Werbung)

Wie bereits erwähnt tritt für die Praxis bei der Wirkung von viraler Werbung das Problem der Messbarkeit auf. Solange man etwas nicht messen kann, kann man auch wenig konkrete Erwartungen haben. Die Anzahl der Aufrufe oder Klicks auf einen weitergeleiteten Spot sagen nicht nur nicht aus, wer etwas gesehen hat, sie geben auch über die Art der Rezeption und Wirkungen wie Awareness oder Image-Änderungen keine Auskunft. Während in der TV-Werbung, im Print- und im Plakat-Bereich ausgefeilte Mess- und Arbeitsprozesse zwischen Werbe- und Mediaagenturen und den Medien bestehen, fehlen derartige Institutionen im Web nahezu vollständig.

Ja, die kann man ja schlecht messen. Also du kannst einen Klicks messen oder so, aber du kannst nicht sagen, ich habe jetzt spontan die Bekanntheit von auf gesteigert. Das ist mehr […] eine Image Geschichte. (Anonym, Anhang 8: 4)

Und [.] bei den anderen Medien, TV und Print ist es auch schon so eingespielt, gibt es schon die ganzen Institute, die das messen und Marktforschungsumfragen, die schauen, wie kommt der Spot an, welcher Markt ist gerade am beliebtesten. Das kann man irgendwie messen, aber im Internet tut man sich da noch schwer. (Waaijenberg, Anhang 6: 3)

Dennoch gibt es eine Reihe von Erwartungen und Vermutungen über die Wirkung Viraler Werbung.
Es wird erwartet, dass die Rezeption viraler Werbung eine höhere Qualität hat, als jene von klassischer TV-Werbung, wobei unter höherer Qualität wohl die Intensität der Wirkung verstanden werden darf. Diese höhere Qualität des „Werbemittelkontaktes“ wird einerseits durch den persönlichen Einfluss erklärt, dem eine starke Wirkung nachgesagt wird, und durch die Art der Rezeption an sich, die intensiver und aktiver wäre als jene von klassischer TV-Werbung. Es besteht also die Annahme einer grundsätzlich höheren individuellen Wirkung durch den besonderen Modus der Rezeption viraler Werbung, wobei hier die Perspektive der EmpfängerInnen viraler Werbung betrachtet wird.

Andererseits gibt es einfach Erkenntnisse, dass sozusagen Kampagnen die, oder Inhalte, die vom Menschen zu Menschen übertragen werden einfach viel größere Impact und, haben und viel größere Beachtung finden, als wenn Massenmediale oder Organisationen Botschaften verbreiten. (Mühr, Anhang 7: 4)

Weil die Rezeption von solchen Dingen ganz anders ist. Im Fernsehen rennts ja quasi an dir vorbei und bei diesen viralen Sachen, da schaust du dir das bewusst an. […] Es ist eher der qualitative Kontakt und nicht der quantitative. (Anonym, Anhang 8: 3)

Was die Art der Wirkung betrifft gibt es drei Typen die sowohl für virale als auch für klassische Werbung erwartet werden: Image-Änderungen, Aufmerksamkeit und Response, wobei Image-Änderung, ob bewusst oder unbewusst als wichtigste Änderung genannt wurde.

Bei der Rolle der Aufmerksamkeit gibt es unterschiedliche Ansätze, wohl auch wegen der unscharfen Abgrenzung der Konstrukte „Awareness“ als Ziel und Aufmerksamkeit als Rezeptionsmodus. Während Aufmerksamkeit als Vorbedingung für erfolgreiche Image-Änderung gesehen wird, wird auch das Erreichen von Awareness ohne die Veränderung der Einstellungen als eine mögliche Wirkung gesehen. Die Gegenüberstellung von Persuasion mit Agenda-Setting bereitet an dieser Stelle gewisse Schwierigkeiten, da Persuasion im Leitfaden und Interview im Deutschen als „Überzeugung“ übersetzt wurde, was wohl einen gewissen rationalen Unterton hat und in den Werbewirkungserwartungen der Praxis als Konstrukt so nicht bekannt ist. So lässt es sich dann auch erklären, warum von Werbung einerseits keine Überzeugung erwartet wird, aber gleichzeitig Image-Änderungen ganz oben auf der Agenda stehen. Zum Thema Aufmerksamkeit lässt sich abschließend mit Blick auf die Ergebnisse der Kategorien Reichweite und Wirkung sagen, dass sie ein wesentliches Ziel der Werbung ist, das allerdings der Originalität und den zu vermittelnden Markenwerten nicht untergeordnet werden darf. Das heißt, dass Agenturen letztendlich in ihre Möglichkeit zur Image-Änderung glauben und diese Wirkung höher eingeschätzt wird als das Erreichen bloßer Aufmerksamkeit.

Aber das dann, es müsste, also ich glaube auch, das müsste eher aus der klassischen Werbung kommen, aus der klassischen Ecke, dass das wirklich was für eine Marke tut. […] Die Markenwerte transportieren und solche Sachen. Und nur zwecks der Gaudi ist es glaube ich vergeudetes Geld. (Anonym, Anhang 8: 6)

Ich glaube nur dass es nicht die Originalität der Marke nicht ganz aufgegeben werden darf. Da stimme ich überein. Es geht um Glaubwürdigkeit. (Mühr, Anhang 7: 6)

Erwartungen aus der Praxis: Reichweite viraler Werbung (Teil 15 der Serie zu viraler Werbung)

Weiter geht es mit der Darstellung der Ergebnisse der Interviews mit Alexander Mühr von DraftFCBi (Xing, Facebook), Albert Waaijenberg von Demner, Merlicek& Bergmann und einer dritten Person, die nicht genannt werden möchte. Der Text gibt die zusammengefassten und kategorisierten Aussagen der Befragten wieder, die von mir aneinandergereiht und miteinander verbunden wurden. Die Gespräche wurden im Sommer 2008 geführt und inhaltsanalytisch nach Mayring untersucht. Der Text gibt die zusammengefassten und kategorisierten Aussagen der Befragten wieder, die von mir aneinandergereiht und miteinander verbunden wurden.

Von Viraler Werbung wird erwartet, dass sie Menschen erreichen kann, die über klassische Werbung nicht erreicht werden hätten können. Botschaften also, die über klassische Werbung nicht bei der relevanten Zielgruppe vermittelt werden können, sollen über die interpersonellen Kommunikationsnetzwerke verteilt werden.

Dementsprechend wird virale Werbung, die nicht verbreitet wird als sinnlos angesehen.

Ich meine […] es ist natürlich bei viralen Kampagnen notwendig, dass sie einen Impact haben. Also Impact oder halt wirklich viele Kontakte erzeugen, weil sonst sind sie ja sinnlos wenn es nur 2000 Leute sind. (Mühr, Anhang 7: 10)

Und beim Internet ist irgendwie […] die Schwierigkeit, dass man eben schnell mal trotzdem zwanzigtausend in den Sand gesetzt hat und nur tausend Leute haben den Film angeschaut. (Waaijenberg, Anhang 6: 3)

Bei den Erwartungen an die Reichweite und Verbreitung tritt für die Vertreter der Werbeagenturen allerdings ein Problem auf, dass sich auch bei der Diskussion der Wirkungserwartungen sehr schnell zeigt: jenes der Mess- und Steuerbarkeit. Im Fall der Reichweite führt dies zu einem veritablen Widerspruch. Zum einen wird von Werbung im Internet eine zielgenaue Ansprache bestimmter Segmente erwartet, zum anderen wären aber die Steuerung und Messung der Reichweite bei viraler Werbung nicht oder nur schwer möglich.

Ich kann natürlich Foreneinträge anschauen […]. Nur das allein, der Zugriff allein, ist noch kein aussagekräftiger Wert. (Mühr, Anhang 7: 3)

Und man weiß zwar, dass eine Million User jetzt auf dieser Seite waren wo meine Werbung gelegen ist, aber wie viele von dieser Million Zuschauern da wirklich auf meine Werbung reagiert. Das ist immer noch die größere Unbekannte. (Waaijenberg, Anhang 6: 3)

Eine virale Kampagne ist eine, die sich verbreitet jenseits der klassischen Werbung. Und das passiert dir oder passiert dir nicht. Also das kannst, ich glaube es ist schwer steuerbar. (Anonym, Anhang 8: 2)

Diese Problematik beim Konzept viraler Werbung kann auch da beobachtet werden, wo es um die Frage der Abdeckung größerer Reichweiten geht. Während viraler Werbung im Falle erfolgreicher Kampagnen über Blogs und Communities durchaus „massenmediale Effekte“ zugetraut werden, wird sie zum derzeitigen Zeitpunkt zum automatischen Erreichen einer breiteren Öffentlichkeit als nicht geeignet empfunden.

Diese Schwierigkeit könnte erklären, warum „Virals“ in den häufigsten Fällen ergänzend zu TV- und Print-Werbung eingesetzt oder bei der Realisierung der klassischen Werbung von Seiten der Agentur mitgedacht werden. Klassische Werbemaßnahmen garantieren eine gewisse Mindestanzahl an Kontakten mit der Zielgruppe, wenn darüber hinaus Reichweitengewinne durch die Verbreitung über interpersonelle Kommunikationsnetzwerke erreicht wird, so ist das ein erwünschter Nebeneffekt. Virale Verbreitung oder auch Gespräche über klassische Werbung werden allerdings nicht als notwendig für den Erfolg von Werbung an sich betrachtet.

Erwartungen aus der Praxis: Das „Wesen“ viraler Werbung (Teil 14 der Serie zu viraler Werbung)

Bisher behandelte die Bakkalaureatsarbeit ausschließlich theoretische Ansätze die man auf virale Werbung übertragen kann. Nun kommen Auszüge aus Kapitel 5, in der die Ergebnisse aus Experteninterviews mit 3 Vertretern der österreichischen Werbebranche diskutiert werden. Dabei geht es zuerst um das „Wesen“ viraler Werbung, dann um die Erwartungen an Reichweite, Wirkungen und die Rolle der RezipientInnen. Die Gesprächspartner waren Alexander Mühr von DraftFCBi (Xing, Facebook), Albert Waaijenberg von Demner, Merlicek& Bergmann und eine dritte Person, die nicht genannt werden möchte. Die Gespräche wurden im Sommer 2008 geführt und inhaltsanalytisch nach Mayring untersucht. Der Text gibt die von mir zusammengefassten und kategorisierten Aussagen der Befragten wieder.

Anhand der erhaltenen Definitionen und der im Gespräch geäußerten Facetten lässt sich ein Bild des „Wesens“ viraler Werbung für die Kommunikationspraxis zeichnen.

Virale Werbung […] wenn man es jetzt mit einer Agentur vergleicht, ist es vielleicht das, wie sich in einer Firma oder in einer Agentur eben ein Gerücht verbreitet. (Waaijenberg, Anhang 6: 13)

Ein Stück Werbung, das so speziell ist, dass es sich quasi von selbst verbreitet. (Anonym, Anhang 8: 11)

Unternehmenscontent mit eindeutigen, mit schlussendlich werblichen bzw. marketingrelvanten Aufgaben, der aufgrund seiner Beschaffenheit, seiner Aufmachung, seiner Umsetzung dazu führt, dass er freiwillig von Rezipienten verteilt wird und sich dazu im Idealfall auch wirklich in einer viralen also exponentiellen oder schneeballartigen Weise verbreitet. (Mühr, Anhang 7: 19)

Virale Werbung wird als Unternehmensinhalt gesehen, der eine gewisse außergewöhnliche Beschaffenheit hat und sich eben aufgrund dieser Beschaffenheit exponentiell, „wie von selbst“ über ein Medium verbreitet. Die Außergewöhnlichkeit des Inhalts bezieht sich dabei auf einen Mehrwert aus den Bereichen Unterhaltung oder Information. Allerdings wären diese Eigenschaften nicht von vornherein festlegbar, da schlussendlich die RezipientInnen entscheiden würden, was viral wird. So könnten auch TV-Spots, ob der zunehmenden Konvergenz der verschiedenen Medientechnologien, viral verbreitet werden.

Darüber hinaus wird es nicht als ausschlaggebend gesehen, ob der Inhalt nun von einer berühmten Marke kommt oder nicht, da es sich bei viraler Werbung eben um etwas handelt, das nicht vordergründig Werbung ist oder sein sollte. Den Erwartungen der Interviewpartnern zufolge steht bei der Weiterleitung der Werbung eindeutig der außergewöhnliche Inhalt im Vordergrund.

Interessant ist hier, dass bei viraler Werbung deren Ungewöhnlichkeit aus den Bereichen Unterhaltung und Information betont wird und gleichzeitig auch bei der Werbung an sich von den Gesprächspartnern angemerkt wird, dass es nur darum gehen kann, etwas zu schaffen, das interessiert und begeistert. Wenn also die Werbung im Allgemeinen nur interessieren kann und etwas sein kann das man sie sich gerne ansieht, stellt sich die Frage, wo nun genau der Unterschied zu viraler Werbung im Speziellen liegt.

Medienwirkungen und die Persuasion in der Gruppe: The People’s Choice revisited (Teil 12 der Serie zu Viraler Werbung)

Wenn man von der Nutzung der Werbung für interpersonelle Kommunikation spricht und wenn das Konzept der Viralen Werbung darauf aufbaut, Werbeerfolg durch interpersonelle Kommunikation nach der Rezeption zu erreichen, dann liegt es nahe, zur Erklärung einen Ansatz der Kommunikationsforschung heranzuziehen, der es zu besonderer Prominenz geschafft hat. Gemeint ist der 2-Stufen-Fluß der Kommunikation und sein so oft zitiertes Ergebnis: „[…] ideas flow from radio and print to the opinion leaders and from them to the less active part of the population“ (Lazarsfeld/Berelson/Gaudet 1955 [1944]: 151; Hervorhebungen im Original).

Was aber ist das für eine Studie und welche Schlüsse lassen sich heute daraus für das Konzept Virale Werbung ziehen?

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Werbenutzung – Was machen die Menschen mit der Werbung? (Teil 11)

Ein Großteil der – vor allem betriebswirtschaftlich orientierten – Werbeforschung, beschäftigt sich mit der Frage der Werbewirkung, also damit, was die Werbung mit den Menschen macht (vgl. Buttle 1991; vgl. die Modelle in Kotler 2006: 884, Schweiger/Schrattenecker 2005: 6 und 12, Fuchs 2007: 499). Die Rezipienten werden als Individuen gesehen, die den auf sie einwirkenden Reiz „Werbung“ aufnehmen und verarbeiten (vgl. Buttle 1991: 4, Mick/Buhl 1992: 317). Der Kontext der Rezeption wird nicht oder nur am Rande berücksichtigt.

Dieses Modell der Werbung kann aber zum Verständnis viraler Werbung aber aus zwei bereits angeführten Gründen wenig beitragen. Zum einen Werbenutzung – Was machen die Menschen mit der Werbung? (Teil 11) weiterlesen

Der Stellenwert der Werbung in der (deutschsprachigen) Kommunikationssforschung (Teil 10)

Nach der Beleuchtung der Hintergründe und Gemeinsamkeiten all der „heißen“ Marketing- und Kommunikationskonzepte – vom Mundpropaganda-Marketing bis zum Branded Entertainment -, kann man sich nun die Frage stellen was die Kommunikationswissenschaft denn eigentlich zur Klärung der Problemstellungen beitragen kann.

Dabei drängt sich zuallererst die Frage der Zuständigkeit auf. Fühlt sich die Kommunikationswissenschaft eigentlich zuständig für das Thema Werbung?

Der Stellenwert der Werbung in der (deutschsprachigen) Kommunikationssforschung (Teil 10) weiterlesen

Gemeinsamkeiten und Herkunft: Von der Publizistik zur (nützlichen?) Kommunikation (Teil 9)

Der vorangehende Auszug aus meiner Bakkalaureatsarbeit handelte davon, dass Ansätze wie Guerilla Marketing, Viral Marketing und eben „virale“ Werbung Kinder einer „Werbekrise“ sind und dass diese Krise keine neue, sondern der permanente Anpassungsprozess des Systems Werbung an sich verändernde gesellschaftliche Bedingungen ist.

Eine weitere Gemeinsamkeit der diskutierten Ansätze ist, dass sie auf Publizität und die darauf einsetzende interpersonelle Kommunikation basieren. Während die Aufgabe der klassischen Werbung in den meisten Fällen mit ihrer Einschaltung erfüllt ist, ist sie bei viraler Werbung erst der Beginn des eigentlich erwünschten Kommunikationsprozesses zwischen den Rezipienten.

Die Ansätze verbinden also Gemeinsamkeiten und Herkunft: Von der Publizistik zur (nützlichen?) Kommunikation (Teil 9) weiterlesen

Gemeinsamkeiten und Herkunft: Die (vermeintlich) neue Krise der Werbung (Teil 8)

Die Werbung steckt in einer Krise, keine Frage. (von Wedel: 2003)

Die Werbung ist in der Krise. Heißt es. Mal wieder. (Lankau 2004: 1)

Eine der wesentlichen Gemeinsamkeiten aller in den bisherigen Teilen diskutierten Ansätze, wie Guerilla Marketing, Viral Marketing oder eben Viral Advertising ist die sogenannte „Krise der Werbung“. Dabei lassen sich Werbeverdruss, Werbeflut und Werbevermeidung anführen (vgl. Zurstiege 2007: 143f).

Say ‚design‘ and people think Rams, Ives, Eames. Say advertising and they think Cillit Bang,

schreibt Russel Davies (2008) in seinem Blog. Und er hat nicht Unrecht. Die Einstellung der Gesellschaft Werbung gegenüber ist gespalten. Gemeinsamkeiten und Herkunft: Die (vermeintlich) neue Krise der Werbung (Teil 8) weiterlesen

Was ist virale Werbung? (Teil 7)

Wie passt die Virale Werbung in das Feld der verschiedenen Ansätze wie Viral Marketing, Branded Entertainment, Guerilla Marketing oder Word-of-Mouth-Marketing?

Zuerst drängt sich hier jene Verwendungsweise des Begriffs „Viral Marketing“ auf, wie er von der WOMMA und anderen Autoren verwendet wird. Viral Marketing sind hier Kampagnen, in denen unterhaltsame oder informative Mitteilungen auf Basis von viraler Kommunikation verbreitet werden (vgl. WOMMA 2008b). Strenggenommen fehlen hier allerdings all jene Elemente eines Marketing-Mix, die den Begriff Marketing erst zulässig machen würden: nämlich Produkt, Preis und Distribution (vgl. Kotler 2006: 149f). Es lässt sich also mit Martin Oetting sagen:

Virales Marketing ist [.] eigentlich die komplette Ausrichtung aller Marketinganstrengungen auf Mundpropaganda. Virale Werbefilme sind weit weniger, Virale Werbung eben. (Martin Oetting 2006b)

Eine andere Art Virale Werbung abzugrenzen wählen Porter und Golan (2006), die aus der inhaltsanalytischen Untersuchung von viralen Kampagnen schließen, dass sich Virale Werbung signifikant von klassischer TV-Werbung unterscheidet. In ihrer Definition wird in Gegenüberstellung zu dieser vor allem herausgehoben, dass Virale Werbung unbezahlt, persönlich und über das Internet vermittelt wird und darüber hinaus außergewöhnlichen, oft provokanten Inhalt enthält.

Viral advertising is unpaid peer-to-peer communication of provocative content originating from an identified sponsor using the Internet to persuade or influence an audience to pass along the content to others. (ebd. 33)

An diesen Eigenschaften – unbezahlt und unkonventionell oder unterhaltsam – wird wiederum die Nähe zu Ansätzen wie Guerilla Marketing und Branded Entertainment sichtbar. Man kann allerdings anmerken, dass diese Definition ohne weiteres auch für Branded Entertainment gelten könnte. So taucht jene BWM-Kampagne, die von den Autoren zitiert wird (vgl. ebd.:32), in vielen Fallstudien für Branded Content auf (Halliday/Graser 2005, Raney et. al. 2003: 42).

Also in 2002, BMW spent more than $10 million on their popular BMW Films series, where they commissioned Hollywood directors to direct edgy short films featuring established stars careening around the screen in (and often destroying) BMWs. BMW distributed the films entirely on the World Wide Web and promoted each film strictly through viral marketing, attracting nearly 55 million viewers. (Porter/Golan 2006)

Die Definition hilft auch in jenen Fällen nicht weiter, in denen sich klassische TV-Spots im Internet verbreiten, wie man beispielsweise beim Honda-Spot „The Cog“ , oder in kleinerem Rahmen bei einem Manner-Spot beobachten konnte. Wird hier klassische TV-Werbung plötzlich zu viraler Werbung? Oder klassische TV-Werbung zu Branded Entertainment?

Madison Avenue has always tried to create infectious ads. Think of those beer commercials with catch phrases that some of your more tiresome co-workers repeat around the water cooler. (Leonard 2006)

An der Tatsache, dass auch „normale“ TV-Spots, über die früher einfach gesprochen wurde, ihren Weg in das Web und die exponentielle Verbreitung finden können, zeigt sich eine andere Schwäche der Definition von Porter und Golan. Welche Werbung viral „wird“, entscheidet sich konstruktivistisch gesehen erst nach der Rezeption bei der Nutzung der RezipientInnen. Was sich ex-post in der Definition von Porter und Golan beobachten lässt, ist ex-ante schwer zu planen.

In Anbetracht der Abgrenzungsschwierigkeiten von Branded Entertainment und „infektiöser“ klassischer Werbung soll viraler Werbung für die vorliegende Arbeit breiter, und zwar wie folgt verstanden werden:

Als Virale Werbung können all jene Formen der werblichen Kommunikation bezeichnet werden, die von RezipientInnen im Anschluss an die Rezeption über das Internet an Personen in ihrem sozialen Umfeld weitergeleitet werden.

Im nächsten Teil werden die Gemeinsamkeiten und die Herkunft der verschiedenen Ansätze diskutiert.

Es gibt übrigens einen interessanten Artikel von Faris Yakob übrigens den Unterschied zwischen „Viralität“ als Eigenschaft und „Viralität“ als Mediennutzungsform.

Literatur:

  • Halliday, Jean/Graser, Marc: BMW abandons Madison & Vine. In: Advertising Age, 00018899, 10/3/2005, Vol. 76, Issue 40.
  • Kotler, Philip/Bliemel, Friedhelm (2006): Marketing-Management. Analyse, Planung und Verwirklichung. 10., überarbeitete und aktualisierte Auflage. München [u.a.]: Pearson Studium.
  • Oetting, Martin (2006b): Viral Advertising: Grundlagen.
  • Porter, Lance/Golan Guy J. (2006): From Subservient Chickens to Brawny Men: A Comparison of Viral Advertising to Television Advertising. In: Journal of Interactive Advertising, 6. Jg., Heft 2/2006, 30-38.
  • Raney, Arthur A. et al (2003): At the movies, on the Web: An investigation of the effects of entertaining and interactive web content on site and brand evaluation. In: Journal of Interactive Marketing; 17. Jg., Heft 4/2003, 38-53.
  • Roddy, Kevin (2006) in Leonard, Devin (2006): Viral Ads: It’s an Epidemic. In: Fortune. New York: 2. Oktober 2006, 154. Jg., Heft 7/2006, 61.
  • Word of Mouth Marketing Association (2008a): An Introduction to Word of Mouth Marketing
  • Word of Mouth Marketing Association (2008b): Types of Word of Mouth Marketing